ÖRK-Vollversammlung Karlsruhe Von Klaus Ulrich Ruof  | 

Ein Meister des Disputs

Kurt Kardinal Koch in der evangelisch-methodistischen Erlöserkirche in Karlsruhe.
In sich ruhend, souverän und mit manchmal hintergründigem Humor: Kurt Kardinal Koch in der evangelisch-methodistischen Erlöserkirche in Karlsruhe. Es ging um die Bedeutung der Ökumene für die Zukunft.
Bildnachweis: Klaus Ulrich Ruof, EmK-Öffentlichkeitsarbeit
Kurt Kardinal Koch war zu Gast in der evangelisch-methodistischen Erlöserkirche in Karlsruhe. Es ging um die Bedeutung der Ökumene für die Zukunft.
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Im Rahmen der aktuell tagenden Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) veranstalten die Karlsruher Kirchen ein umfangreiches Begleitprogramm. Dabei ist auch die evangelisch-methodistische Erlöserkirche Gastgeberin etlicher Veranstaltungen. Darunter eine Gesprächsreihe, die das römisch-katholische Bildungszentrum »Roncalli-Forum« veranstaltet.

Neugier und eine vollbesetzte Kirche

Unter dem Titel »Zukunft bauen in der einen Welt« sind Spitzenvertreter der römisch-katholischen Weltkirche sowie aus gesellschaftlichen Bereichen und Institutionen zu Gast. Befragt werden sie nach ihrer Meinung, wie angesichts schwieriger globaler Herausforderungen förderliche Wege in die Zukunft aussehen könnten. Am gestrigen Freitag, dem 2. September, war Kurt Kardinal Koch der erste hochrangige Gesprächspartner in dieser vierteiligen Reihe.

Welchen Beitrag die Ökumene für eine immer globalere Gesellschaft leisten kann, war Thema der Befragung des Kurienkardinals der Römisch-katholischen Kirche, die nicht Mitglied im Ökumenischen Rat der Kirchen ist. Seit 2010 ist Koch Präsident des Päpstlichen Rates zur Förderung der Einheit der Christen. Diese Rolle macht ihn zum weltweit gefragten Gesprächspartner, wenn es um kirchliche Dialoge sowie künftige Entwicklungen ökumenischen Miteinanders geht und welche Rolle dabei der Römisch-katholischen Kirche zukommt. Nicht zuletzt deshalb fand der erste Gesprächsabend so großen Anklang in der vollbesetzten, direkt neben dem Kongressgelände gelegenen Erlöserkirche.

Antworten müssen nicht konkret, sondern grundsätzlich sein

In sich ruhend, souverän und mit manchmal hintergründigem Humor sitzt der 72-Jährige zwischen seinen Fragestellern. Das Publikum erwartet von Tobias Licht, dem Leiter des Roncalli-Forums, und von Oliver Wintzek, als Professor für Dogmatik und Fundamentaltheologie an der Mainzer Katholischen Hochschule tätig, dass dem hochrangigen Vertreter römisch-katholischer Theologie auf den Zahn gefühlt wird. Um es vorwegzunehmen: Der Abend geriet zur Demonstration eines theologischen Disputs, in dem der Kardinal jederzeit Herr der Lage blieb. Der Zweck mancher Frage und die Erwartung des Publikums, ökumenische Zugeständnisse oder vielleicht auch nur ansatzweise die Bereitschaft für Änderungen im römisch-katholischen Kirchenrecht wenigstens erahnen zu können, liefen immer wieder ins Leere.

Dreh- und Angelpunkt der Antworten aus berufenem Mund eines Vertreters des Zentrums der Römisch-katholischen Kirche war der konsequent erkennbare Grundsatz einer Weltkirche. Konkrete und kontrovers diskutierte Fragestellungen müssten aus dem konkreten, regionalen Kontext herausgelöst werden. Die Antwort müsse auf einer höheren, komplexeren Ebene erfolgen, um weltweite Gültigkeit zu haben. Koch formulierte das so: »Eine Aussage, die ›Rom‹ macht, gilt für die ganzen Kirchen (sic!) – und die ist natürlich allgemein gehalten, abstrakter gehalten, kann nicht jede konkrete Situation berücksichtigen.«

Das Maß der Freiheit bleibt undiskutiert

Die Umsetzung in den konkreten kirchlichen Kontext und die Situation vor Ort sei »dann die Aufgabe der Ortsbischöfe«, die klären und erklären müssten, was die Aussagen »aus Rom« für die konkrete Situation bedeuteten. Eine Beschreibung, wie groß die Freiheit zur Umsetzung mit Abweichungen vom weltweiten Konsens der Römischen Kirche blieb der Kardinal schuldig. Damit hatte der Hinweis darauf, dass Verlautbarungen aus dem Vatikan immer eine höhere, komplexere Qualität haben müssten, etwas eher Orakelhaftes, das tunlichst die klar verständliche Antwort auf eine Einzelfrage meidet.

Im Blick auf einzelne Fragen gab es dann doch konkrete Aussagen, aber nur in Nebensätzen. So habe die Frauenordination überall dort, wo sie eingeführt wurde, zu Spaltungen geführt. Zur Segnung homosexueller Paare wird auf das unverwechselbare Sakrament der Ehe verwiesen, das durch eine Segnung homosexueller Paare seine »Nichtverwechselbarkeit« verliere. Es könne sein, das war Kochs einziges Eingeständnis an diesem Abend, dass das Schreiben aus Rom »vielleicht« nicht richtig kommuniziert war. Aber letztlich seien die konkreten Umsetzungen für die Ortskirchen den dafür zuständigen Bischöfen auferlegt. Wie weit ihre Freiheit zur Interpretation dabei ist, blieb undiskutiert.

»Dann reden Sie doch mit uns!«

Der vierteiligen Gesprächsreihe im Umkreis einer ökumenischen Weltversammlung fehlte an diesem Abend eindeutig ein ökumenischer Fragesteller – oder gar eine ökumenische Fragestellerin. Zwei katholische Fragesteller auf dem Podium waren gegenüber dem katholischen Würdenträger nur vorsichtig angriffig. Zu oft führten die Fragen in ein innerkatholisches Gespräch, das die Bedeutung einer globalen Sicht für die Zukunft mit Hilfe einer starken, wirklich dialogfähigen und auf Augenhöhe agierenden Ökumene aus dem Blick verlor. Eine ungezähmte, nicht-katholische Fragestellung hätte dem Gesprächsabend noch mehr Esprit verliehen.

An einer Stelle blitzte diese ökumenische Kraft auf. Der Kardinal hob auf die regionale Begrenztheit vieler protestantischer Kirchen ab, die bei den vielen evangelischen Landeskirchen in Deutschland besonders erkennbar und dort gleichzeitig mit einem großen Anspruchsdenken verbunden sei. Für einen inhaltlich weitreichenden Dialog auf Weltebene und auf Augenhöhe sei das nicht zielführend. Außerdem habe der Kardinal gar nicht genug Mitarbeiter, um für Gespräche mit so vielen regional begrenzten Kirchen Dialoge zu führen.

Aus dem Publikum meldete sich Harald Rückert zu Wort. »Dann reden Sie doch mit uns!« warf der für Deutschland zuständige Bischof der Evangelisch-methodistischen Kirche ein und löste damit die im Saal spürbare hintergründige Spannung auf. Er hatte die Lacher auf seiner Seite. Die Irritation beim Kardinal währte nur einen winzigen Augenblick, um den Einwurf sogleich mit »die Methodisten sind da viel einfacher« süffisant zu bestätigen. Weiter ging es jedoch im innerkatholischen Modus, der die Niederungen des Klein-Kleins des kirchlichen Alltags souverän ablehnte. Gerade in diesem Augenblick war erkennbar, dass konkrete Fragestellungen und nachhakende Einwürfe nach Art des EmK-Bischofs gerade an diesem Abend fehlten.

Kirchengeschichtliche Ereignisse bieten Impulse für die Zukunft der Ökumene

Versöhnlich stimmten die Hinweise des Kardinals auf konkrete Aufgaben und weltweit bedeutsame Jubiläen. So brauche die Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre unbedingt eine Fortsetzung, die zu einer Erklärung über Eucharistie, Amt und Kirche führen müsse. Außerdem böten zwei kirchengeschichtliche Jubiläen Möglichkeiten für wichtige Erkenntnisschritte.

Zunächst das Jahr 2025 mit der Erinnerung an das 1700 Jahre zurückliegende Konzil von Nicäa (325 nach Christus), als eine Zeit, in der es noch keine Kirchenspaltung gegeben habe. Weitere fünf Jahre später, im Jahr 2030, werde das fünfhundert Jahre zurückliegende Augsburger Bekenntnis im Mittelpunkt stehen. Es sei »keine Trennungsschrift, sondern eine Einheitsschrift« gewesen. »Protestanten und Katholiken waren nie mehr so nahe beieinander wie vor fünfhundert Jahren«, beschrieb der Kardinal die ökumenische Bedeutung dieser für den Protestantismus so bedeutsamen Schrift.

»Diese Chancen sollten wir nutzen, neue Impulse für unseren gemeinsamen Weg in Zukunft zu finden.« Sein souveräner Schalk blitzte auch in dieser Passage hervor, indem bei diesen Ereignissen »gewichtige ökumenische Fragestellungen besprochen werden müssen, die wir heute Abend hätten besprechen sollen«. Kurt Kardinal Koch – eben ein Meister des Disputs.

 

Weiterführende Links

Informationen zu Angeboten der EmK im Rahmen der ÖRK-Vollversammlung
Baden-TV-Beitrag über die ÖRK-Vollversammlung vom 2. September mit Stimmen von EmK-Bischof Harald Rückert und EmK-Pastor Uwe Onnen (Video, 4:08 Minuten)

Der Autor

Klaus Ulrich Ruof ist Referent für Öffentlichkeitsarbeit und Pressesprecher für die Evangelisch-methodistische Kirche in Deutschland mit Sitz in Frankfurt am Main. Kontakt: oeffentlichkeitsarbeit(at)emk.de

Zur Information

Von den Roncalli-Gesprächen zur ÖRK-Vollversammlung, auch vom Abend mit Kurt Kardinal Koch, soll es Audio-Mitschnitte zum Nachhören geben. Zum jetzigen Zeitpunkt gibt es noch keinen Link. Die Information wird baldmöglichst hier nachgereicht. Oder Sie schauen beim Bildungszentrum Roncalli-Forum Karlsruhe vorbei.