ÖRK-Vollversammlung Karlsruhe Von Klaus Ulrich Ruof  | 

Den jungen Menschen genau zuhören

Das Plenum der 11. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) in Karlsruhe. Die Vorsitzende Dr. Agnes Aboum eröffnet die Tagung.
Das Plenum der 11. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) in Karlsruhe. Die Vorsitzende Dr. Agnes Aboum eröffnet die Tagung.
Bildnachweis: Klaus Ulrich Ruof, EmK-Öffentlichkeitsarbeit
Die Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen ist eröffnet. Neun Tage lang geht es um Belange der Kirchen, des Christseins und der Welt.
4 Minuten

Mit einem vielfältigen Tagesprogramm eröffnete die 11. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK) in Karlsruhe gestern ihre bis 8. September dauernde Tagung. Dazu gehörten eine Auftakt-Pressekonferenz, die ersten Plenumsveranstaltungen mit dem Bericht des geschäftsführenden Generalsekretärs Ioan Sauca sowie die Begrüßungsveranstaltung, bei der auch der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eine Rede hielt. Am frühen Abend feierten die rund 4.000 Delegierten, Gäste, Begleitpersonen und ökumenischen Beobachter einen der Buntheit der aus aller Welt angereisten und verschiedenen kirchlichen Traditionen entsprechenden Gottesdienst.

Bedacht, Sorgfalt und Weisheit walten lassen

»Viele meinen, wir seien in einem ökumenischen Winter«, zitierte der amtierende ÖRK-Generalsekretär in der Auftaktpressekonferenz pessimistische Stimmen zur aktuellen ökumenischen Lage. Die jetzt stattfindende Weltversammlung zeige jedoch »einen ökumenischen Frühling« an, so Saucal. Der rumänische Theologe und Priester der Rumänisch-Orthodoxen Kirche amtiert seit gut zwei Jahren als ÖRK-Generalsekretär, nachdem sein Vorgänger Olav Fykse Tveit zum Vorsitzenden Bischof der Norwegischen Kirche gewählt worden war. Das Thema der Vollversammlung, so Sauca weiter, sei anfänglich als zu einfach kritisiert worden. Mittlerweile, habe sich das Thema »Die Liebe Christi bewegt, versöhnt und eint die Welt« geradezu als »eine Vorhersehung« erwiesen. Mit den Folgen der Corona-Pandemie und des Ukraine-Krieges brauchten die Menschen in dieser Welt »mehr als je zuvor Versöhnung und Heilung«. Das sei die Aufgabe dieser Vollversammlung für diese Welt, obwohl auch innerhalb und zwischen den Kirchen Streitthemen, Auseinandersetzungen und Spaltungen den Auftrag der Kirchen belasteten.

In seinem Bericht an die Vollversammlung skizzierte Sauca die umfangreiche Arbeit des ÖRK. Dazu gehörte der seit der letzten Vollversammlung zurückgelegte Pilgerweg der Gerechtigkeit und des Friedens, der Umgang mit der Klimakrise, Fragen der Gerechtigkeit für rassistisch Diskriminierte, die durch den Krieg in der Ukraine und andere Konflikte in der Welt zugefügten Wunden sowie die Förderung der Menschenrechte im Heiligen Land.

In diesem Zusammenhang verwahrte er sich gegen Vorwürfe des Antisemitismus innerhalb des ÖRK. Die Situation im Nahen Osten und in Israel sei sehr differenziert zu betrachten. Das habe ihm auch sein jüngster Besuch »im Heiligen Land« mit Kontakten zu christlichen Gemeinden dort gezeigt. Deshalb empfahl er der Vollversammlung, »dass wir Bedacht, Sorgfalt und Weisheit walten lassen, wenn wir uns mit den Vorschlägen befassen, die auf dieser Vollversammlung vorgelegt werden«. Es müsse sichergestellt werden, dass getroffene Entscheidungen den Christen im Heiligen Land hülfen und »auf keinen Fall« ihre Existenz gefährdeten.

Mutig und prophetisch sein

Agnes Aboum, die Vorsitzende des ÖRK, wies in ihrem Pressekonferenzbeitrag darauf hin, dass die Vollversammlungen des ÖRK verändernde Kraft hätten. Sehr persönlich schilderte sie, wie sie 1975 bei der Vollversammlung in ihrer kenianischen Heimat Nairobi als junge Ehrenamtliche aktiv war. Die damalige Erfahrung habe ihr ganzes Leben geprägt, so dass sie es zwischenzeitlich bis zur ÖRK-Vorsitzenden gebracht habe.

Dass es ihr aber nicht nur um persönliche Lebensprägungen gehe, sondern auch um die Prägung und Veränderung der Welt aus christlicher Verantwortung heraus, machte die kenianische Spezialistin für Entwicklungshilfe ebenfalls deutlich. So sagte Aboum in ihrem Bericht an die Vollversammlung: »Hören Sie den jungen Menschen unter uns genau zu.« Viele junge Menschen seien voller Sorge um Gerechtigkeit, Frieden und die Zukunft unseres Planeten und würden sich dafür engagieren. Sie seien die einzige Generation, die sowohl die ersten katastrophalen Auswirkungen der Klimakrise miterlebe und gleichzeitig die letzte Generation, die etwas unternehmen könne, um die globale Erderwärmung noch zu stoppen.

»Wir können und müssen mutig und prophetisch sein, und uns für Gerechtigkeit und Frieden einsetzen.« Es gehe darum, die Liebe Christi zu verkündigen und für die Würde aller Menschen und das Überleben der Schöpfung zu kämpfen. »Das ist unsere Berufung und unsere Mission in dieser Welt.«

Ein aufsehenerregendes Zeugnis

Die stellvertretende ÖRK-Vorsitzende Mary Ann Swenson aus dem US-amerikanischen Kalifornien rief zu einer »Gemeinschaft der Liebe« auf. Die Ruhestandsbischöfin der Evangelisch-methodistischen Kirche (EmK) forderte die Kirchen der Welt dazu auf, ihren Auftrag so zu leben, wie die frühe Kirche. Von ihr hieß es: »Seht, wie sie einander lieben und den Menschen in ihrer Umgebung dienen«. Das wäre ein »Zeugnis für die Welt«, das auch heute noch Aufsehen erregen würde.

Deutliche Worte des Bundespräsidenten

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sprach in seiner Rede vor der Vollversammlung die Verantwortung des ÖRK im Umgang mit der Russisch-Orthodoxen Kirche (ROK) sehr deutlich an. Die Führung der ROK kritisierte er scharf. Unter Patriarch Kyrill hätte sie sich mit den »Verbrechen des Krieges gegen die Ukraine gemein gemacht« und befände sich auf einem »glaubensfeindlichen und blasphemischen Irrweg«. Steinmeier nutzte die Gelegenheit, den ÖRK zu einer klaren Stellungnahme gegen diesen Irrweg der Moskauer Kirchenführung und die russischen Kriegsverbrechen aufzurufen. »Darüber darf es auch hier und heute kein Schweigen geben«, forderte Steinmeier.

Auch zu Bestrebungen innerhalb des ÖRK, den israelischen Umgang mit den Palästinensern als Politik der »Apartheid« zu verurteilen, äußerte sich der Bundespräsident. Er warnte davor, dass Antisemitismus vielfältige Formen annehmen könne. Es sei Aufgabe der Kirchen in aller Welt, dem entgegenzutreten, denn Antisemitismus sei immer eine »Hassideologie mit Vernichtungsgeschichte«.

 

Weiterführende Links

Bericht von Dr. Agnes Aboum, ÖRK-Vorsitzende
Bericht von Prof. Dr Ioan Sauca, ÖRK-Generalsekretär 
Rede von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier
Informationen zu Angeboten der EmK im Rahmen der ÖRK-Vollversammlung 

Der Autor

Klaus Ulrich Ruof ist Referent für Öffentlichkeitsarbeit und Pressesprecher für die Evangelisch-methodistische Kirche in Deutschland mit Sitz in Frankfurt am Main. Kontakt: oeffentlichkeitsarbeit(at)emk.de