ÖRK-Vollversammlung Karlsruhe Von Klaus Ulrich Ruof  | 

Die Kirchen sollen ihre integrative Kraft entwickeln

Generalbundesanwalt Peter Frank
Seltenes Ereignis in der Karlsruher EmK: Der Generalbundesanwalt Peter Frank ist zu Gast und erklärt die Bedeutung demokratischer Rechtsprechung für das Grundvertrauen der Bevölkerung ins Funktionieren des Staates.
Bildnachweis: Klaus Ulrich Ruof, EmK-Öffentlichkeitsarbeit
Seltenes Ereignis in der Karlsruher EmK: Der Generalbundesanwalt ist zu Gast und erklärt die Bedeutung demokratischer Rechtsprechung.
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Ein weiteres Mal war die Erlöserkirche, eine Gemeinde der Evangelisch-methodistischen Kirche (EmK), Gastgeberin im Rahmenprogramm der Karlsruher Kirchen bei der aktuell tagenden Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK). Beim zweiten Abend einer Gesprächsreihe, die das römisch-katholische Bildungszentrum »Roncalli-Forum« am gestrigen Samstag veranstaltete, war der Generalbundesanwalt Peter Frank zu Gast.

Die Reihe steht unter der Überschrift »Zukunft bauen in der einen Welt«. Der Profession des Gastes entsprechend ging es darum, wie das »Leben in Frieden und Freiheit, Sicherheit und Vertrauen« zukunftsfähig gestaltet werden kann. Ein Rechtsanwalt und der Leiter des Roncalli-Forums stellten die Fragen. Aus eher juristischer Sicht stellte der Anwalt Christian auf der Heiden die Fragen. Die kirchliche und theologische Sicht brachte der Theologe und Leiter des Roncalli-Forums, Tobias Licht, ins Gespräch.

Langer Atem ist nötig

Recht schnell entwickelte sich das Gespräch hin zur grundsätzlichen Bedeutung der höchsten deutschen Rechtsprechungsebenen, die durch den Generalbundesanwalt, durch den Bundesgerichtshof und das Bundesverfassungsgericht in Erscheinung treten. Frank vermittelte diese Bedeutung an den in den letzten Jahren zunehmend aufgekommenen kriegerischen Auseinandersetzungen wie in Syrien oder jetzt in der Ukraine. Dort geschehene oder sich aktuell ereignende Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Kriegsverbrechen müssten geahndet werden. Die dafür eingerichtete Weltstrafgerichtsbarkeit mit Sitz in Den Haag verfolge solche Verbrechen. Wenn deutsche Staatsbürger oder deutsches Staatsgebiet betroffen seien, könne  die Strafverfolgung auch von ihm als Generalbundesanwalt in Deutschland eingeleitet werden. Es brauche zwar einen langen Atem, erklärte er, »aber den hat man, denn die meisten Kriegsverbrechen verjähren nie«.

Wenn eine Ahndung solcher Verbrechen erfolge, zeige das die Wirksamkeit des rechtlichen Regelsystems. Jüngst seien in Deutschland weltweit erstmalig zwei Verurteilungen von Kriegsverbrechern aus dem syrischen Bürgerkrieg erfolgt. Für Betroffene oder Mitbetroffene seien das deutliche Signale gewesen, dass »ein unabhängiges Gericht in einem fairen, offen Verfahren« ausdrücklich feststellte, »dass ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit durch das Regime durchgeführt worden ist«. Damit würden zwar keine Kriege beendet, gibt Frank zu. Aber das deutliche Signal sei, dass es staatliche und völkerrechtliche Regeln gebe, die in einem funktionierenden Rechtssystem angewandt werden.

Damit werde innerhalb eines Landes und auch international deutlich, dass demokratische Werte und Gesetze ihre Gültigkeit haben und Verbrechen geahndet werden. Den Regelrahmen gäben sich Länder oder die internationale Gemeinschaft der Menschen selbst. Die Anwaltschaften sorgten dafür, dass diese eingehalten und durchgesetzt werden.

Das Grundvertrauen in den Staat stärken

Am weitreichenden Beispiel des Völkerrechts werde deutlich, so Frank, dass die durch den Staat oder die Staatengemeinschaft erfolgende Sanktionierung von Straftaten das Recht durchsetzten und wiederherstellten. Das stärke das Grundvertrauen der Menschen in das Funktionieren dieser staatlichen Mechanismen. In Deutschland sei das angesichts der seit einigen Jahren zunehmenden Infragestellung des Staates durch einzelne Personen und Gruppen wichtig.

Gesetzgeber gäben die Regeln für das freiheitlich-demokratische Staatswesen vor. Andere staatliche Institutionen setzten diese Regeln um und sorgten dafür, dass sie eingehalten würden. »Nur dann ist dieses Grundvertrauen der Bevölkerung zu seinen staatlichen Organen weiterhin gegeben«, erklärt Frank die Bedeutung dieser Einrichtungen. Darüber hinaus brauche es neben der Durchsetzung des Rechts aber weitere gesamtgesellschaftliche Ansätze wie Prävention, Bildungsarbeit, kirchliches Engagement und weitere Mitwirkende, die mithelfen, dass die Menschen in das freiheitlich-demokratische Staatssystem Vertrauen haben und sich daran »rückbinden«.

Die Bedeutung der Kirchen für den gesellschaftlichen Frieden

Wie die Kirchen daran mitwirken könnten, das Grundvertrauen in staatliche Institutionen und die Rechtsprechung zu stärken, war die den Abend abschließende Frage an den Generalbundesanwalt. Frank antwortet darauf überraschend konkret: Die Kirchen sollten wieder darauf hinwirken ihre integrative Kraft in die Gesellschaft hinein zu entwickeln.

»Früher«, so der Generalbundesanwalt, »als achtzig Prozent der Bevölkerung einer Kirche angehörten, war eine deutlich größere Einbindung auch individueller Gruppierungen in den freiheitlich-demokratischen Gesamtprozess selbstverständlich.« Heute habe er manchmal den Eindruck, dass die »Fliehkräfte in der Demokratie« auch dadurch zunähmen, dass die Kirchen ihre Mitglieder immer weniger an sich binden könnten. »Da sollten die Kirchen wieder ihre Kraft darauf verwenden, ihre Mitglieder an sich zu binden und sie nicht einfach gehen zu lassen.«

Aus dem Munde des Generalbundesanwalts ein überraschender Satz, der die Bedeutung der Kirchen für den gesellschaftlichen Frieden untermauerte. Allerdings schwingt darin auch mit, dass die Kirchen einige »Hausaufgaben« zu erledigen haben.

 

Weiterführende Links

Informationen zu Angeboten der EmK im Rahmen der ÖRK-Vollversammlung

Der Autor

Klaus Ulrich Ruof ist Referent für Öffentlichkeitsarbeit und Pressesprecher für die Evangelisch-methodistische Kirche in Deutschland mit Sitz in Frankfurt am Main. Kontakt: oeffentlichkeitsarbeit(at)emk.de