Zentralkonferenz in Würzburg Von Iris Hahn, Klaus Ulrich Ruof  | 

Grenzen kennen – Grenzen achten

Ein Mann mittleren Alters steht an einem Rednerpult. Die Projektion auf einer großen Leinwand zeigt die Säulen des Rahmenschutzkonzeptes: Prävention, Intervention, Aufarbeitung und Anerkennung des Leids. Das Foto zeigt zudem einen Teil der Delegierten.
Der Leiter des Kinder- und Jugendwerks der Zentralkonferenz, Pastor Klaus Schmiegel, stellt die vier Säulen des Rahmenschutzkonzepts vor. Ziel dieses Konzepts ist, Menschen jeden Alters in den Gemeinden der EmK vor Missbrauch und Gewalt sowie Gefahren jeder Art zu bewahren.
Bildnachweis: Iris Hahn
Sichere Begegnungs- und Entfaltungsräume für alle: Die Zentralkonferenz beschließt ein deutschlandweit für die EmK gültiges Schutzkonzept.
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Die Zentralkonferenz Deutschland der Evangelisch-methodistischen Kirche (EmK) tagt in dieser Woche bis zum Sonntag, 16. Februar. Tagungsort ist das in Würzburg direkt am Main gelegene Exerzitienhaus Himmelspforten. Am gestrigen zweiten Sitzungstags stand ein wichtiges Thema im Mittelpunkt. Dabei ging es um ein für die Kirche in Deutschland gültiges Schutzkonzept, um Menschen jeden Alters vor Missbrauch und Gewalt sowie Gefahren jeder Art zu bewahren, die sich in der Obhut von Gemeinden der Evangelisch-methodistischen Kirche befinden.

Das Konzept ruht auf vier Säulen

In der Sitzung am Freitagnachmittag sprachen Karin Toth, Referentin für Religionspädagogik und Systemische Beraterin, sowie Klaus Schmiegel, Leiter des Kinder- und Jugendwerks der Zentralkonferenz Deutschland, Dinge an, die in Kirchengemeinden nicht passieren dürften. Gemeint sind Grenzverletzungen und sexuelle Gewalt, die unter Umständen von der familiäreren Atmosphäre begünstigt werden könnten, wie sie häufig in Freikirchen gepflegt werde.

Mit dem jetzt vorgelegten und beschlossenen Schutzkonzept will die Zentralkonferenz sichere Begegnungs- und Entfaltungsräume für Menschen jeden Alters schaffen. Dazu stellten Toth und Schmiegel den Delegierten ein sogenanntes Rahmenschutzkonzept vor, das auf vier Säulen ruht.

Die erste Säule steht für den Sachverhalt der Prävention. Dabei geht es um die Zielsetzung, dass Übergriffe in Gemeinden gar nicht erst passieren. Mit dem neuen Schutzkonzept wird der Schutzrahmen auch auf Menschen ab achtzehn Jahren erweitert. Die bisher schon gültigen Schutzmaßnahmen waren auf Kinder und Jugendliche in den Gemeinden ausgerichtet.

Eine zweite Säule beschreibt die Notwendigkeit der Intervention. Dafür wird eine kircheninterne Meldestelle eingerichtet, die in der evangelisch-methodistischen Kirchenkanzlei in Frankfurt am Main angesiedelt sein wird. Von dieser Meldestelle aus werden im konkreten Fall schnellstmöglich erfahrene Kinderschutzfachkräfte, Sozialpädagogen und ein Interventionsteam vermittelt. Eine Zusammenarbeit mit externen Beratungsstellen gehört zur Arbeitsweise der Meldestelle.

In das gegenüber den bisherigen Maßnahmen erweiterte Schutzkonzept wird eine dritte Säule unter dem Stichwort »Aufarbeitung« eingefügt. Nicht nur für akute Fälle, sondern auch für widerfahrene sexualisierte Gewalt, die schon länger zurückliegt, wird es eine Ansprechstelle geben. 

Mit der vierten Säule wird erstmals die Notwendigkeit der »Wiedergutmachung« thematisiert und als Maßnahme im Konzept verankert. Eine unabhängige Kommission erhält die Aufgabe, bei erlittenem Leid mit einer finanziellen Anerkennung zu helfen. Dafür richtet die Kirche einen Fonds ein. 

Neue Sensibilität

Im Vortrag der beiden Fachpersonen aus der evangelisch-methodistischen Kinder- und Jugendarbeit in Deutschland wurde klar: »Wir alle verletzen Grenzen – aber auch unsere eigenen Grenzen werden verletzt.« Beide machten deutlich, dass es für den Umgang mit Grenzverletzung und Missbrauch eine Betrachtung von außen brauche. Einige Delegierte formulierten Vorbehalte aus ihrer Gemeindepraxis. Die für das Konzept geforderten vielen Maßnahmen und Dokumentationen könnten die Gemeinden überfordern. Demgegenüber betonten die beiden Referenten, dass ein solches Schutzkonzept die haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter entlasten könne.

Die Umsetzung des gegenüber bisheriger Praxis deutlich erweiterten Rahmenschutzkonzepts bedeute beispielsweise, dass in den Bezirken für haupt- und ehrenamtliche Mitarbeiter erweiterte Führungszeugnisse erforderlich sind. Mit verschiedenen Schulungen solle für das Thema sensibilisiert werden. Um in den Gemeindebezirken mögliche Schwächen feststellen zu können, gebe es die Möglichkeit eine Analyse durchzuführen, um das vorhandene Risikopotenzial abschätzen zu können. Das müsse dokumentiert werden, um daraufhin helfen und die nötigen Maßnahmen ergreifen zu können, um das Risiko zu reduzieren. Dazu gehöre eine Kultur der Fehlerfreundlichkeit und Achtsamkeit bis hin zur Sicherheit in Gruppenräumen, besonders wenn sich diese im Kellerbereich kirchlicher Gebäude befänden. In jedem Fall bedeutet die Anwendung des Schutzkonzepts, dass bei begründetem Verdacht eine Meldepflicht besteht.

Breiter Konsens

In der anschließenden Abstimmung setzten die Zentralkonferenz-Delegierten das vorgelegte Rahmenschutzkonzept mit sofortiger Wirkung in Kraft. Das beschlossene Konzept wird mit Online-Schulungen und der Errichtung einer Melde- und Ansprechstelle sofort in Angriff genommen. Bis spätestens zum Frühjahr 2028 soll das Rahmenschutzkonzept in allen Gemeinden fest etabliert sein.

Die Autoren

Iris Hahn ist Grafikerin. Sie lebt in Augsburg und ist Ko-Redakteurin des zweiwöchentlich erscheinenden evangelisch-methodistischen Kirchenmagazins »unterwegs«. Klaus Ulrich Ruof ist Referent für Öffentlichkeitsarbeit und Pressesprecher für die Evangelisch-methodistische Kirche in Deutschland mit Sitz in Frankfurt am Main. Kontakt: oeffentlichkeitsarbeit(at)emk.de

Zur Information

Der Abschlussgottesdienst am Sonntag, 16. Februar, 10 Uhr, wird per Internet übertragen. In diesem Gottesdienst findet die Amtseinführung des neuen Bischofs Werner Philipp sowie die Entpflichtung von Bischof Harald Rückert statt. Die Predigt hält der neue Bischof.

Die außerhalb der Vereinigten Staaten befindlichen Gebiete der Evangelisch-methodistischen Kirche (EmK) sind in Zentralkonferenzen organisiert. In Europa sind dies die Zentralkonferenz Mittel- und Südeuropa, die Zentralkonferenz Nordeuropa und Eurasien sowie die Zentralkonferenz Deutschland. Weitere Zentralkonferenz-Gebiete gibt es in Afrika und Asien.

Die Zentralkonferenzen sind der Generalkonferenz, dem weltweit höchsten Kirchenparlament der EmK, nachgeordnet und für die jeweilige Region zuständig. Sie tagen alle vier Jahre, um formale, finanzielle und manche die Ordnung der Kirche betreffende Entscheidungen zu treffen. In Deutschland entsenden die Norddeutsche Jährliche Konferenz, die Ostdeutsche Jährliche Konferenz und die Süddeutsche Jährliche Konferenz Delegierte, je zur Hälfte Pastoren bzw. Pastorinnen und Laien. Darüber hinaus findet im Rahmen der Zentralkonferenz die Bischofswahl oder die Verlängerung der Amtszeit des Bischofs oder der Bischöfin statt. Die Wahl ins Bischofsamt gilt in der Zentralkonferenz Deutschland für zunächst vier Jahre. Eine Wiederwahl für weitere acht Jahre ist möglich. Die maximale Amtszeit beträgt zwölf Jahre. Bischof Harald Rückert ist seit 2017 im Amt und tritt nach der in Würzburg stattfindenden Zentralkonferenz in den Ruhestand.